Auch Archäologen fahren gelegentlich auf Urlaub. Um den lieben Ehemann nicht zu sehr zu strapazieren, wählten wir ein „ausgrabungsfreies“ Gebiet. Führe man nämlich nach Italien oder Griechenland, müsste man Tempel, Museen und Ausgrabungen besichtigen. Nur faul am Strand liegen kann eine eingefleischte Archäologin nicht, wenn sie von lauter imposanten Kulturschätzen umgeben ist.
Daher fiel die Wahl auf eine einsame Berghütte in der Steiermark. Während wir beim lokalen Spar unsere Einkaufe am Pult neben der Kassa einräumen, sticht uns ein Aushang ins Auge: Tag der offenen Grabung in Neumarkt in der Steiermark
Blöderweise ist der Termin genau während unseres Aufenthaltes. Dem leidgeprüften Archäologin-Ehemann wird natürlich sofort klar, was folgt, nämlich der Besuch der Veranstaltung.
Und so stehen wir bei sengender Hitze mitten auf einem Feld, auf dem sich eine kleine mit Bauzaun umgrenzte Ausgrabung befindet. Marko Mele, Ausgrabungsleiter und Chefkurator des Joanneum in Graz, und Karl Peitler, Leiter des Münzkabinetts, begrüßen den Bürgermeister und etwa 30 weitere Interessierte. Sie erzählen, dass die Ausgrabung über 3 Wochen läuft und in Kooperation mit dem Historischen Arbeitskreis Neumarkt Hochtal abgehalten wird. Diese Privatinitiative besteht seit 2015 und beschäftigt sich mit der Aufspürung von regionalen Bodendenkmalen, um einen Anstoß und zugleich eine Basis für eine fundierte wissenschaftliche Bearbeitung zu geben. Als Bindeglied zwischen interessierten Laien und Wissenschaftlern bieten sie unter anderem historische Wanderungen an. Mit einer jährlichen Mitgliedschaft von 25 Euro kann man dem Arbeitskreis beitreten und die Aufarbeitung der Siedlungsgeschichte unterstützen.
Durch den Arbeitskreis wurde auch die Untersuchung des Linder Feldes beim Heimatmuseum Schloss Lind angeregt. Bei geomagnetischen Messungen wurden mehrere kreisförmige Strukturen von 15 bis 30 m Durchmesser festgestellt (Fotos dazu siehe Museums-Homepage). Einer dieser Kreise wird nun im Rahmen einer dreiwöchigen Lehrgrabung der Universität Graz untersucht. Ziel ist die Identifizierung und Datierung des Denkmales.
Es handelt sich um einen stark zerstörten und heute abgeflachten Grabhügel aus der Hallstatt-Zeit. Einst beherbergte der von einem Graben umfasste Hügel eine etwa 2 x 2 m große Steinkammer. Darin war die Urne eines reichen Bewohners (eventuell Fürsten oder Häuptlings) aufbewahrt, da die Errichtung solcher Grabhügel mit beträchtlichen Kosten verbunden waren. Es wurden leider nur wenige Funde getätigt, darunter befand sich aber eine kleine Scherbe, die das Gebäude in das 7.–6. Jahrhundert v. Chr. datiert. Ferner wurde ein verkohlter Balken gefunden, der zwecks Datierung durch C14-Methode zur Analyse eingeschickt wurde. Zahlreiche Erdproben wurden entnommen, um etwas über die Ernährungsgewohnheiten der einstigen Bewohner in Erfahrung zu bringen.
Die dazugehörige Siedlung befand sich im Kolmer Wald, wobei allerdings erst ein Haus teilweise ergraben wurde. Wo sich die Gräber der „normalen“ Bewohner, also der Unter- und Mittelschicht, befanden, ist bisher nicht geklärt.