Herr Herrmann

Heute wird Twitter zum Teenager. Vor 13 Jahren, am 21. März 2016, erschien der Mikroblogging-Dienst, der mittlerweile rund 330 Millionen Mitglieder hat, die monatlich aktiv sind. Charakteristisch für diese Kommunikationsplattform ist die maximale Zeichenanzahl von 280 Zeichen/Tweet – bis November 2017 waren es sogar nur 140 Zeichen.
Nun fragt man sich doch: Wo kam das her? Ist diese Idee plötzlich aus dem Nichts erschienen? Kam da keiner vorher drauf?
Und die Antwort ist: Doch, ein Österreicher!

Dr. Emanuel Herrmann war ein Kärntner Volkswirtschaftler, der im Jänner 1869 in der „Neuen Freien Presse“ einen bahnbrechenden Vorschlag unterbreitet. In seinem Artikel „Über eine neue Art der Korrespondenz mittels der Post“ berichtet er zuerst, wie stark das Versenden von Briefen in den letzten Jahren angestiegen ist. Waren es im Jahre 1840 noch rund 24 Millionen Briefe, waren es 1866 bereits fast 96,5 Millionen Briefe, die jährlich in Österreich versendet wurden. Gar nicht so viel aus heutiger Sicht, wenn man bedenkt, dass Österreich damals deutlich größer war. Heute sind es übrigens rund 730 Millionen Briefe in Österreich (Stand 2017, Quelle). Damals waren die „fast 100 Millionen Briefe“ allerdings eine Sensation.
1865, führt er weiter aus, wären in Wien pro Kopf 36 Briefe versendet worden, während es in Niederösterreich nur 4 pro Person und Jahr sind. Es ist also ein deutliches Stadt-Land-Gefälle zu beobachten und das „alte Mütterchen auf dem Lande dagegen schreibt vielleicht in zehn Jahren kaum einen Brief“.
Des Weiteren rechnet Herrmann detailliert vor, was das Versenden eines Briefs kostet. Neben dem Briefpapier, der Marke, dem Kuvert und den Kosten für Siegelwachs, müsse man auch die Zeit für das Zusammenlegen des Briefes, das Zukleben des Kuverts und die Arbeit des Siegelns bedenken. So komme man auf einen Betrag bis zu 15 Kreuzer pro Brief.
Er schlägt daher die Einführung einer Korrespondenzkarte vor. Dabei handelt es sich um eine vorfrankierte Marke ermäßigten Tarifs und fixen Formats, auf der Nachrichten verfasst werden können, die nicht der Kriterien eines vertraulichen Briefverkehrs bedürfen.

Ein weiterer Vorteil neben der Kostenersparnis liegt in der Notwendigkeit, sich kurz halten zu müssen ob des Platzmangels. Daher könnten lästige Anreden und überschwängliche Grußworte unterbleiben. Der Zweck der Korrespondenzkarte lag in der raschen, unkomplizierten Übertragung von Kurznachrichten zu Informationszwecken. Sie war also eine „prähistorische“ Form von Twitter.
Schon im Herbst 1869 erschienen die ersten Korrespondenzkarten und Herrmann wurde ein bekannter Mann. Bald wurde seine Urheberschaft allerdings bezweifelt, hatte doch ein Preuße schon 1865 eine solche Nachrichtenkarte namens Postblatt vorgeschlagen. Diese hätte aber vor Versenden mit einer normalpreisigen Briefmarke beklebt werden sollen. Das wäre also keine Neuerung gewesen und deshalb gilt weiterhin Emanuel Herrmann als der Erfinder der Postkarte. So ist es auch auf seinem Grabstein am Meidlinger Friedhof (Abteilung E, Reihe 7, Grab Nr. 113) verzeichnet.

Eine Grünfläche an jener Stelle, wo der Wiener Donaukanal und Wienfluss zusammenfließen, wurde ihm zu Ehren Hermannpark benannt. Und genau dort befindet sich seit Juni 2005 die Herrmanns Strandbar. Wenn Ihr dort das nächste Mal Eure Zehen in den Sand steckt und an einem Cocktail schlürft, dann prostet doch dem alten Herrmann zu, der vor 150 Jahren sozusagen Twitter erfunden hat.

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