Die Regenwolken hatten sich endlich verzogen und es war Zeit, das römische otium kennenzulernen. Was eignet sich da besser als ein Ausflug in die Welt der Reichen und Schönen?
Mit der Circumvesuviana Poggiomarino – Neapel fuhren wir bis Torre Annunziata Oplonti. Nach wenigen Minuten Wartezeit kam die Circumvesuviana Neapel – Sorrento, mit der wir bis Via Nocera fuhren. Von dort ist es ein Fußweg von etwa 20 Minuten durch das moderne Stabia, ein gutes Stück bergauf bis zu den antiken Villen von Stabia.
Villa Arianna
Etwas unscheinbar zeichnete sich der Eingang zur Villa Arianna auf der linken Seite ab. Aus einem kleinen Hüttchen kam der Wächter und begrüßte uns. Der Eintritt ist gratis, man muss sich nur für statistische Zwecke in ein Besucherbuch eintragen. Abgesehen von ein paar Leuten vom Aufsichtspersonal waren wir in der Villa alleine und konnten einen ungestörten Einblick gewinnen.
Die Villa wurde im 2. Jh. v. Chr. am Hügel Varano angelegt und nimmt eine Fläche von etwa 11.000 m2 ein. Davon wurden vor allem in der Borbonen-Ära in der Mitte des 18. Jhs. rund 2.500 m2 ausgegraben. Fast alle Räume sind zugänglich und so durchschreitet man zahlreiche Repräsentations- und Nebenräume mit farbenfrohen Mosaikböden und Malereien. Der Blick auf den Golf von Neapel ist atemberaubend und wir bekamen langsam ein Gefühlt davon, was es bedeutet hatte, in der Antike zur oberen Schicht zu gehören. Einzig der Autolärm des modernen Stabia riss uns ein bisschen aus unseren Träumerein.
Zurück an der stark befahrenen Straße wendet man sich nach links und erreicht nach etwa 15 Minuten Fußweg die Villa San Marco. Der Weg dorthin ist wenig attraktiv, aber man kommt an Zitrushainen vorbei mit Limonen in der Größe zweier Männerfäuste. Neben einem Artischockenfeld stand ein alter Mann und bot frisch gegrillte Artischocken an. An der Straßengabelung gibt es einen kleinen Supermarkt mit den besten Orangen, die ich je in meinem Leben gegessen habe. Ein kurzer Zwischenstopp zur Stärkung lohnt sich.
Villa San Marco
Von der Autostraße zweigt links ein kleiner Weg ab, der einen zur Villa San Marco führt. Auch hier muss man sich nur in ein Besucherbuch eintragen, der Eintritt ist frei. Namensgebend für die römische 11.000 m2-große Villa war eine dort im 17. Jh. gebaute Kapelle. Umfassende Grabungen fanden erstmals unter den Borbonen statt als man nach Kunstwerken für die kaiserlichen Residenzen suchte. Heute sind ca. 6.000 m2 des in augusteischer Zeit entstandenen Komplexes ausgegraben.
Wer sich nun fragt, ob sich die Reise und der anstrengende Fußmarsch zu den Villen lohnt, die Antwort ist: Ja
Natürlich ähneln die Mauerreste dem, was man in Pompeji und Herculaneum sieht, nämlich Mauern mit Malereien, Böden mit Mosaikresten. Der große Unterschied ist, dass es sich hier um aristokratische Riesenvillen direkt am Meer handelt. Es sind sozusagen Bel Air, die Hamptons und die Hollywood Hills der Antike. Hier traf sich, wer Rang und Namen hatte, das Reich mitbestimmte, Kontakte pflegte und sich dem süßen Nichtstun (otium) hingab. Rauschende Feste mit den feinsten Speisen, lauter Musik und erlesensten künstlerischen Darbietungen wurden in Villen wie diesen gefeiert. Eine Ahnung, was sich damals abgespielt haben muss, bekommt man nur dort, wo die Touristenmassen nicht hinkommen und man alleine durchs Gelände streifen kann.
Tipp: Wer Lust hat, der kann einfach jemand vom Wachpersonal ansprechen. Die Damen und Herren sind sehr aufgeschlossen und führen einen leidenschaftlich gerne durch die Räumlichkeiten. Dadurch wird man auf Details aufmerksam gemacht, wie z. B. Graffiti, an denen man sonst achtlos vorbeispaziert wäre.
Schließlich verließen wir die Villa und folgten der stark befahrenen Straße zurück in den Ort. Wir wollten am Meer einen Kaffee trinken. In der kühlen Nebensaison ist es gar nicht so leicht ein geöffnetes, ansprechendes Lokal mit schöner Aussicht zu finden. Schließlich wurden wir fündig im Il Caffé Emozioni Gustative. Das Personal ist sehr bemüht, das Lokal schick eingerichtet und die Snacks waren ausgezeichnet.
Frisch gestärkt gingen wir zur Circumvesuviana-Station Castellammare di Stabia und fuhren mit der Linie Sorrento –Neapel zurück zu Torre Annunziata Oplonti, um die sog. Villa der Poppaea zu besuchen.
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