Man sagt den Wienern ja ein besonderes Verhältnis zum Tod nach, hat er doch zahllose Ausdrücke fürs Sterben. Gerade heute an Allerseelen, dem Gedenktag für alle Verstorbenen, setzt man sich mit dem Tod auseinander, gedenkt lieben Verstorbenen und besucht die Friedhöfe. Derzeit gibt es in 55 Friedhöfe im Wiener Stadtgebiet, aber das war nicht immer so. Als die Römer das Lager Vindobona im Bereich des Hohen Marktes anlegten (Tipp: Römermuseum), bestatteten sie gemäß ihrer Sitte außerhalb der Stadt. Der größte römische Friedhof mit 150 Brand- und Körpergräbern (2.–4. Jh. n. Chr.) wurde im Zuge von Bauarbeiten bei der Albertina im Jahr 2000 entdeckt. Erst im Mittelalter wurde es Sitte rund um die Kirchen, also innerhalb der Stadtmauer, zu bestatten (vgl. z. B. Stephansfreithof).
Bis ins 18. Jh. wurden die Toten nur etwa 70 cm unter der Erde begraben. Es gehörte also zum Stadtbild, dass Hunde mit Leichenteilen und Knochen durch die Straßen liefen und der Verwesungsgeruch in der Luft hing. Joseph II. (1741–1790) erließ daher die Anordnung zur Schließung aller Friedhöfe innerhalb des Linienwalls (heutiger Gürtel). Stattdessen legte er fünf Kommunalfriedhöfe an: Matzleinsdorfer Friedhof (heute Waldmüllerpark), Friedhof Am Hundsturm (heute Haydnpark), Friedhof An der Schmelz (heute Märzpark), Währinger allgemeiner Friedhof (heute Währinger Park) und St. Marxer Friedhof.
Mitte des 19. Jhs. lebten in Wien rund 500.000 Menschen, Anfang des 20. Jhs. bereits über 2 Millionen (Quelle). Die von Joseph II. angelegten Friedhöfe reichten nicht mehr aus und so wurde 1863 beschlossen, einen Zentralfriedhof anzulegen. Er war als konfessionsloser Friedhof gedacht, bei dem jede Glaubensrichtung eine eigene Abteilung erhalten sollte und so eine Einweihung explizit untersagt wurde.
Kurz vor Eröffnung waren die Proteste jedoch so intensiv, dass der Wiener Erzbischof, Kardinal Othmar von Rauscher, einen Tag vor der Eröffnung am 31.10.1874 unter Ausschluss der Öffentlichkeit heimlich eine Einweihung vornahm.
Aufgrund der Abgelegenheit und der Trostlosigkeit des Areals war der Friedhof anfangs unbeliebt und kaum jemand wollte sich dort bestatten lassen. Daher folgte 1881 ein unglaublich kluger Schachzug. Man legte eine Ehrengräberanlage an, um berühmte Verstorbene von ihren Friedhöfen auf den Zentralfriedhof zu transferieren. Beethoven lag beispielsweise ursprünglich am Währinger Friedhof, Josef Strauß auf dem St. Marxer Friedhof.
Mit rund 330.000 Grabstellen mit rund 3 Millionen Verstorbenen auf 2.5 km² ist der Wiener Zentralfriedhof nach dem Hamburger Friedhof Ohlsdorf der zweitgrößte Europas. An Allerheiligen werden bis zu 300.000 Friedhofsbesucher am Zentralfriedhof verzeichnet. Aber auch unterm Jahr kommen Angehörige, Sportler, Spaziergänger und auch Touristengruppen auf das Gelände.
Nach einer Fiakerfahrt oder einer Friedhofsführung kann man sich im 2018 eröffneten Kaffeehaus beim Tor 2 niederlassen, mit herrlichem Blick über das Gelände in Richtung Karl-Borromäus-Kirche und Alte Arkaden. Sehr empfehlenswert ist übrigens das Bestattungsmuseum, in dem man mehr über „die schene Leich“ und den Hang der Wiener zu pompösen Begräbnissen erfährt.
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