Verschränken Sie Ihre Finger ineinander, lieber Leser. Liegt Ihr linker Daumen oben oder Ihr rechter? Verharren Sie einige Sekunden in dieser Pose und beachten Sie, wie sich das anfühlt. Nun wechseln Sie, sodass der andere Daumen oben liegt. Wie fühlt sich das nun an? Fremd? Eigenartig? Dann geht es Ihnen wie den meisten.
Zu dieser kleinen Übung animierte uns Airan Berg im Rahmen seines Vortrages am Symposium Kulturvermittlung in St. Pölten. Damit wurde das Verlassen der Wohlfühlzone verdeutlicht. Selbst kleine Veränderungen bewirken etwas in uns, sie beeinflussen unsere Gefühle.
Wir Kulturvermittler möchten, dass unsere Kunden Ihre Wohlfühlzonen verlassen und sich unseren Kulturprogrammen anschließen, unsere Kultureinrichtungen besuchen. Aber was ist mit uns? Verlassen wir unsere Wohlfühlzonen, um unser Kulturprogramm in die Wohlfühlzonen von Nicht-Besuchern zu transferieren, um sie für neue Wohlfühlzonen zu begeistern?
Der Antrieb eine Therme zu besuchen liegt im Wunsch nach Erholung und Entspannung. Kulturvermittlung steht zweifelsohne nicht im Fokus. Die St. Martins Therme liegt jedoch mitten im Naturpark Seewinkel und nutzt diese Lage auch für ihr Marketing. Folglich findet man in der Haupthalle der Therme auch einige Stationen, die die Gäste mit Natur in Kontakt bringen. An den Wänden gibt es Schautafeln zu verschiedenen Vogelarten, ein Jahreszeitenrad mit für diese Zeit typischen Vögeln und Pflanzen und einen Spiegel, bei dem man seine Haarfarbe mit dem Fell eines Tieres vergleichen kann. Sogar die ganze Einrichtung mit Bäumen, Sträuchern und strohgedeckten Dächern greift das Thema der pannonischen Tiefebene auf. Im „Entdeckerclub für Kids“ können Kinder Tiere und Pflanzen hautnah erleben. In Terrarien wohnen verschiedene hier heimische Tierarten, es stehen Mikroskopierstationen zur Verfügung und ein geschultes Team weckt den Abenteuergeist der kleinen Thermenbesucher. Zu gewissen Fixterminen bieten Naturvermittler weitere Kinderprogramme wie Tierpflegerworkshops und das Forscherzelt (im Sommer) an.
Es handelt sich hierbei nicht um ein klassisches Kulturvermittlerprogramm wie wir das normalerweise erwarten und ist sicherlich auch imagetechnisch/profitorientiert ausgerichtet, insbesondere bei den kostenpflichtigen Erwachsenenprogrammen. Dennoch ist es ein positives Beispiel dafür, wie man ein Publikum, das aus einem bestimmten Grund hierher kommt (Entspannung) behutsam motivieren kann, sich mit einem anderen Thema (Natur) auseinanderzusetzen und somit innerhalb der eigenen Wohlfühlzone eine neue Wohlfühlzone zu erschließen.