Heute startet eine Serie namens „Aus dem Tagebuch eines Archäologen” mit dem ersten Teil. Ein wesentlicher Teil des Archäologenberufes besteht aus Bibliotheksrecherchen, Konferenzteilnahmen, Präsentation von Forschungsergebnissen und damit verbundene Auslandsreisen. Dabei bin ich in so manche Situation geraten, die sich im Nachhinein als äußerst amüsant herausgestellt hat – vor allem für die Daheimgebliebenen, die eben nicht live dabei waren. Hier also ein Einblick in jene Abenteuer eines Archäologen, mit denen nicht einmal Indiana Jones konfrontiert ist:
Die vatikanischen Gärten, ein Reisebericht (Rom, 22.09.2012)
Was sich als kurzfristiges Intermezzo, also als ein Punkt auf der heutigen Tagesordnung ankündigte (einstündige Bustour), wurde zum Halbtages-Event – was eigentlich auch keine Überraschung ist in Italien…
8:45h geplante Abreise vom Institut: Mit leichter Verspätung verlasse ich etwa 5 Minuten vor 9h das Institut (war das Zufall oder habe ich die italienische Lebensweise bereits übernommen?)
Weit und breit keine Bim zu sehen, aber keine Panik, sie kommt ja alle 12 Minuten. Mein Ticket ist sicher im Rucksack verstaut. Ich habe es schon am Vortag im Infobüro bei der Piazza Pio XII, 9 gekauft, um mir den Stress heute zu ersparen und ganz gemütlich zu Tourbeginn um 10h anreisen kann.
Um 9:18h lasse ich die Haltestelle laut fluchend hinter mir, mit dem Wissen, dass es sich niemals ausgehen kann, dass ich bis 10h den Vatikan erreiche.
Im Laufschritt geht es also zur Metro Flaminio, die eine geringe Chance am Horizont aufblitzen lässt, doch noch die 10h-Tour zu erreichen. Mein Weg führt entlang der Bim, oder besser gesagt der Bimgleise, denn es ist wohl unnötig zu erwähnen, dass immer noch keine Straßenbahn daherkommt.
Um 9:28h erreiche ich Flaminio, den elendslangen Gang entlang, die Rolltreppe runter und dann höre ich auch schon eine Metro wegfahren – natürlich meine.
Treno per Battistino 4 Minuti – ob das wohl 4 Minuten mitteleuropäischer Zeit oder Roma-Zeit sind? Sicherheitshalber schon mal auf Italienisch die Worte zurrechtgelegt, wie ich in die 11h-Tour reinkomme ohne nochmals bezahlen zu müssen.
Es waren „echte“ 4 Minuten, ich bin tatsächlich noch im Rennen für die Gärten! Doch leider Baustelle oder einfach ein Fahrer, der Angst vor hohen Geschwindigkeiten hat. Der Zug zuckelt nur so dahin, dass ich an meiner Entscheidung, die Metro zu nehmen, zu zweifeln beginne. Wäre ich zu Fuß nicht schneller gewesen? Nach 10 Minuten (für 2 Stationen!) endlich bei Ottaviano angekommen, stürme ich aus dem Zug, die Treppen rauf und im Schweinsgalopp die Via Ottaviano hinunter. Ein Hürdenlauf ob der Touristenschwärme, Touren-Werbe-Fuzzis und pakistanischen Tücherverkäufer, aber ich kann zumindest schon Berninis Kolonaden erkennen.
9:50h: Wie gefordert 10 Minuten vor 10h tatsächlich die Ankunft vor dem Info-Büro.
Wer jetzt glaubt, die Geschichte ist damit zu Ende, der war noch nie in Italien.
Ich suche also die Gruppe für die Garten-Tour, jede Menge Leute, aber kein Treffpunkt-Symbol, nur eine elendslange Schlange. Also quetsch ich mich hinein ins Infobüro, vorbei an misstrauisch schauenden Leuten. Aber hey, ich hab mein Ticket schon gestern gekauft und stell mich doch nicht nochmals an! Am Counter angekommen frage ich also die Tour-Dame, wo der Treffpunkt ist und sie sagt: „Anstellen!“. Ich daraufhin „ich hab mein Ticket schon gestern gekauft“ und sie „anstellen“.
Die Antwort auf meine brennende Frage „Wozu kaufe ich mein Ticket im Voraus wenn ich mich dann erst recht anstellen muss?“ eröffnet sich mir um 10:04h – wir erinnern uns 10h Tourbeginn, 9:50h Treffpunkt – als ich endlich am Schalter ankomme, denn: mein Pass wird kopiert (weil Visum) und ich bekomme einen supercoolen, grünen Sticker.
Voller Scham, nun als Tourist gekennzeichnet zu sein, stapfe ich aus dem Tourbüro und suche die anderen grünen Sticker. Mitten am Platz eine riesengroße Senioren-Gruppe, alle mit grünem Sticker. Totale Verwunderung meinerseits! Ich dachte Minibus, das kann doch nicht stimmen, oder??
Also schnell eine Dame angequatscht, ob sie alle auch auf die Garten-Tour warten oder ob sie eine Spezialgruppe sind. Natürlich kein Englisch, solo italiano. Also noch ein Versuch und schon erfahre ich, dass sie eine Gruppe sind, die drei Tage bei Castel Gandolfo verbringt und als Vertreter regionaler Lebensmittelproduzenten eine Zusammenkunft haben. Ich hab Rosi kennengelernt und Alberto und viele andere, die mir alle erzählen, dass Wien so schön ist und sie mal hinfahren wollen. Speziell zu Silvester wegen des Feuerwerks und des Silvesterpfads.
Um 10:25h stürmt dann eine „offizielle Dame“ aus dem Büro, hält für 2 Sekunden ein Schild „Giardini Vaticani“ hoch und fordert uns auf, ihr zu folgen. Freilich nimmt sie keine Rücksicht auf Personen mit Stock (wie gesagt, es war vorwiegend eine Seniorengruppe!). Es geht quer über den Platz und links durch die Kolonaden durch, mitten durch andere Gruppen, die in die genau entgegengesetzte Richtung wollen. Mit Verlusten ist also zu rechnen….
Scheinbar halbwegs vollzählig kommen wir dann links des Domes an, um nun noch schnell die strengen Sicherheitsvorkehrungen der italienischen Polizei zu überstehen. So könnte man glauben, denn wir warten wieder 15 Minuten. Dann endlich gelange ich in den Security-Bus und: Ein Blick in den Rucksack und fertig. Wieso dauert das dann so lange?? Keine Ahnung, wieder ein Mysterium.
10:43h: Nochmals kurz warten und dann zwischen zwei Schweizer Gardisten in bunter Uniform durch das Tor hindurch in das vatikanische Gebiet und endlich hinein in den Tour-Bus. Der fährt dann aber relativ schnell ab und es beginnt die Tour durch die herrlichen Gärten, deren Besuch ich nur jedem empfehlen kann. Auf den Zetteln steht groß „Fotografieren verboten“. Doch wie so oft wird auch das nicht so eng betrachtet und der Bus hält extra lange an manchen Punkten, damit jeder ein Foto machen kann.
Konkludierend: Der Tag war typisch für Rom – viel Ärger, Gehetze, Unverständnis und Warterei, aber auch Freundlichkeit, Offenheit und eine riesen Portion Wurschtigkeit – Bella Italia halt.