Was macht eine Archäologin und Kulturvermittlerin wenn es 34 Grad im Schatten hat? Genau, sie geht ins Römermuseum Tulln – denn dank des altehrwürdigen Steingebäudes ist es darin schön kühl 😉
Schon im 1. Jahrhundert errichteten die Römer im heutigen Tulln ein Reiterkastell, welches in Holz-Erde-Technik erbaut war. Der folgende Steinbau wurde von der ala prima Commagenorum Sagittariorum ausgeführt. Diese Truppe bestand aus 1.000 berittenen Bogenschützen und kam aus dem Königreich Kommagene in Kleinasien. Funde belegen, dass sich die Truppe 83 n. Chr. noch in Ägypten aufhielt, 106 n. Chr. aber bereits in Tulln stationiert war. Demnach muss sie um 100 n. Chr. nach Tulln verlegt worden sein und gab dem Kastellbau ihrer Herkunft entsprechend den Namen Comagena (oder Comagenis).
Rund um das Lager entwickelte sich eine lebendige Siedlung, von welcher diverse Alltagsgegenstände zeugen. Ferner wurden bei Ausgrabungen Gräberfelder und Weihedenkmäler entdeckt – wie unter anderem für den aus Doliche (heutige Türkei) stammenden Kult des Iupiter Dolichenus.
Das reiche Fundmaterial ist im Tullner Römermuseum zu bestaunen, welches mit einer überraschend großen Ausstellungsfläche aufwartet. Bei Ticketkauf erhält man eine kleine Broschüre, in welcher die einzelnen „Abteilungen“ beschrieben werden. Die Themen reichen von Militär, Religion und Alltagsleben über das römische Tulln bis hin zum Grabkult. Ein 18-minütiger Überblicksfilm ist trotz seiner Länge sehr spannend und eignet sich perfekt als Einführung zum Leben am Limes. In den Glasvitrinen werden Originalfunde, bekleidete Puppen und Dioramen präsentiert, welche einzelne Situationen veranschaulichen, wie beispielsweise den Bau eines Lagers.
Ferner gastiert derzeit eine Sonderausstellung zu Medizin in der Antike. Die Fundmenge ist zwar nicht umfassend aber von beeindruckender Qualität. Man kann unter anderem einen vollständig erhaltenen Spiegel bewundern oder sich über die Benutzung metallener Katheter gruseln.
Führungen für Individualbesucher werden leider keine angeboten, was ich persönlich sehr schade fand. Man muss sich demnach mit mehreren zusammenrotten und eine Privatführung buchen.
Wer nach dem Museumsbesuch noch genug Energie hat, der kann die bis heute im Stadtbild präsenten Gebäudestrukturen erwandern. Von äußerst gutem Erhaltungszustand ist der sog. Römer- oder Salzturm bei der Donaulände. Durch seine permanente Nutzung besteht der unterkellerte, viergeschoßige Hufeisenturm bis unter das Dach aus Römersteinen.