Als Wiener kann man ja auf viele Seiten seiner Stadt stolz sein, aber wem wäre da gerade die Müllverwertung eingefallen? Klingt komisch, ist aber so. Neulich war ich bei einer Führung durch die Müllverbrennungsanlage Spittelau und muss sagen, das war wirklich spannend:
Das Gebäude
Die Müllverbrennungsanlage gilt mittlerweile als Wiener Wahrzeichen, sieht man ihre goldene Kuppel doch von vielen Plätzen der Stadt – so z. B. vom Schwedenplatz. Gestaltet wurde sie von Friedensreich Hundertwasser, nachdem das ab 1969 errichtete Gebäude bei einem Brand 1987 zerstört wurde. Hundertwasser für dieses Projekt zu gewinnen, war gar nicht so einfach, war er doch für Müllvermeidung und wollte daher mit so einer Anlage nichts zu tun haben. Unter gewissen Auflagen und nach einem Jahr Bedenkzeit stimmte er aber schließlich zu. Unter die Bedingungen fiel auch der Einbau einer modernen Rauchgasanlage, deren Filter die Schadstoffe fast vollständig aus der Luft entfernt. Dass dieses Projekt gelungen ist, zeigt eine Turmfalkenfamilie, die sich unter der goldenen Kugel eingenistet hat. Turmfalken sind ein guter Ökozeiger, weil sie bei schlechten Luftverhältnissen sofort flüchten.
Abseits der fröhlichen und künstlerischen Gestaltung ist die Müllverbrennungsanlage Spittelau aber eine hochtechnische Anlage. Pro Jahr werden rund 250.000 Tonnen Hausmüll (= etwa ein Drittel des Wiener Restmülls) verbrannt. Diese erzeugen 120.000 Megawattstunden Strom, 500.000 Megawattstunden Fernwärme, 6.000 Tonnen Eisenschrott und 60.000 Tonnen Schlacken, Aschen und Filterkuchen. Durch die Verbrennung wird der Müll auf etwa ein Zehntel reduziert.
Die Effizienz dieser Anlage gilt als internationales Vorbild, sodass Experten aus aller Welt unsere Spittelau besuchen, um diese Technologie in ihren Ländern umzusetzen. Die „Mop“ Maishima Müllverbrennungsanlage in Osaka beispielsweise wurde auch von Friedensreich Hundertwasser umgesetzt.
Führungen
Im Zuge einer zweistündigen Gratisführung kann man die Müllverbrennungsanlage erkunden und sieht die genauen Abläufe und Stationen unseres Hausmülls (Führungsangebote). Der Geruch ist gewöhnungsbedürftig, aber bis auf eine kurze Station aushaltbar. Empfehlen würde ich irgendein Duftöl mitzunehmen und bei Bedarf eine kleine Menge unter die Nase zu streichen. Bis auf diese 5 Minuten Mief ist es wirklich kein Problem, selbst im Hochsommer als ich dort war. Wer noch tiefer in die Spittelau eintauchen will, der kann sich die Gratis-App besorgen und die Anlage mit VR-Brille besichtigen.
Durch die dort betriebene Aufklärungsarbeit habe ich meine „Müllproduktion“ evaluiert und konnte sie noch mehr reduzieren. Wenn man die Vorgänge dahinter versteht, dann kann man deutlich effektiver vorgehen.
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