Fortsetzung der Serie namens „Aus dem Tagebuch eines Archäologen”, die einen Einblick gewährt in jene archäologischen Abenteuer, mit denen nicht einmal Indiana Jones konfrontiert ist:
Jäger des kopierbaren Buches oder welche Sprache spricht man wohl in der italienischen NATIONALbibliothek (Rom, 25.09.2012)
Nachdem die Konsultation der Bibliothek des Deutschen Archäologischen Institutes (DAI) gestern so reibungslos ablief, stand heute ein gewagteres Unternehmen an: Der Besuch der Italienischen Nationalbibliothek alias Biblioteca nazionale centrale di Roma. Im Internet habe ich vorab schon die ersten Informationen recherchiert (Adresse, Öffnungszeiten etc.) und komischerweise habe ich mich gar nicht mehr darüber gewundert, dass einfach alle Daten weg sind, wenn man auf die englische Version der Bibliotheks-Homepage klickt. Also quasi null Information, nicht mal ein vorgetäuschtes „under construction“. Kurz den Stadtplan studiert und schon ging es die gewohnte Strecke mit der Bim zu Policlinico, dann per pedes die Straße entlang und nach kurzer Zeit war das monumentale Gebäude in Sichtweite. Den spärlich anwesenden Personen Richtung Eingang nachgetappelt und in die große, moderne Halle gestolpert. Dort erwartete mich ein Schilderwald der Sonderklasse, aber freilich war alles nur auf Italienisch angeschrieben. Nicht mal irgendwas klang so als würde es „Ausstellung eines Leseausweises“ oder „Information“ heißen. Also dem Gefühl vertraut und einfach zu irgendeinem der zahlreichen Counter gegangen, wo sich viele „offizielle“ Personen angeregt unterhielten, ohne auf Auskunftsheischende Rücksicht zu nehmen. Auf die erstbeste Dame zugestürmt und sie mit der obligatorischen Frage „Parlate inglese?“ bombardiert – es kam die erwartungsgemäße Antwort „No“. Aber eine Kollegin würde englisch sprechen, doch als diese mitbekam, dass ich zumindest verstand, was die andere sagte, ließ sie sich freilich nicht dazu überreden, etwas anderes zu sprechen als Italienisch. Wild gestikulierend wurde unter dem kräftigen Ausstoß eines Wortschwalles auf ein Formular gezeigt, das ich auszufüllen hatte – selbstverständlich auf Italienisch. Na gut, das meiste war eh klar (Name, Adresse) und bei den anderen Sachen habe ich geraten. Fröhlich drauf los gekritzelt und dann sind schon zwei Damen zusammengelaufen und haben sich amüsiert, dass ich irgendetwas falsch geschrieben habe. Noch mehr Amusement brachte schließlich meine Adresse hervor, denn die wäre ja so ungeheuer lang. Komischer Humor diese Italiener.
Na gut, endlich war es vollbracht und ich hatte meinen Ausweis in der Hand, nun ging es zur Garderobe. Dort prasselte der nächste Wortschwall auf mich ein. Ich habe gebeten, das nochmals langsam zu wiederholen – niente. Tja, dann hab ich mir halt den Schlüssel geschnappt und mein Kasterl gesucht, kann nicht so wichtig gewesen sein. Endlich die „heiligen Hallen“ betreten und schnurstracks zu Raum B gegangen, wo mich ein Mann erwartete, der sich zumindest bemühte, mir in einem Englisch-Italienisch-Mix zu helfen, mein Buch zu bestellen. Und dann siehe da, entgegen meiner Erwartung, wäre das Buch in einer Stunde verfügbar. Na das hab ich nicht mal annähernd zu hoffen gewagt. Kurz überlegt, denn eigentlich wollte ich gleich wieder zum DAI und das Buch morgen lesen, aber was ich hab, das hab ich. Wer weiß, ob der Mond morgen günstig steht und das Buch dann auch verfügbar ist.
Also eine Stunde die Zeit vertrödelt und tatsächlich kam mein Buch um Punkt 13h. Nun die nächste Hürde: ich möchte mir einen Artikel daraus kopieren. Selbstverständlich, man ahnt es schon, konnte die Dame am Buchausgabeschalter nur Italienisch, bemühte sich aber langsam zu sprechen und fuchtelte wild herum, um das Gesagte zu verdeutlichen. Zumindest hab ich kapiert, dass ich einen Zettel von dem Typen brauche, der für die archäologischen Bücher zuständig ist, damit ich das Buch aus dem Saal hinausnehmen darf. Und das Hinausnehmen ist unumgänglich, denn dort befindet sich der Kopierer. Dazu brauche ich ein Formular, das ich ausfüllen muss und der Typ muss dieses unterschreiben und DANN darf ich es kopieren gehen. Aber ich solle vorne beim Archäologiebücher-Typen nochmal fragen, weil das geht am Computer und ist total kompliziert. Nun gut, wieder zurück und zum nächsten Counter, dort einen mürrisch dreinblickenden Herrn getroffen und ihm erklärt, ich möchte einen Artikel kopieren, bin zum ersten Mal da und weiß nicht, was ich jetzt machen muss. Man erahnt es, ein italienischer Wortschwall und eine dümmlich dreinblickende Claudia waren das Resultat. Er: „Capisce?“ und ich: „No, in inglese per favore“. Na mehr hab ich nicht gebraucht, eine Schimpftirade, dass alle nur mehr Englisch sprechen. Was wäre denn mit Französisch, das könnte er. Meine Französischkenntnisse verschwieg ich ihm, denn ich bezweifelte auf das intensivste, dass ich im Stande gewesen wäre seine Erklärung, wie das Computerprogramm funktionierte, in seinem Italo-Französisch zu verstehen. Demnach musste er sich dann doch zum Computer begeben und erklärte mir wie einem Dreijährigen, wie man die Erlaubnis bekommt, Kopien anzufertigen. Klick hier, Klick da und dann kam das Formular raus. So, das müsse er jetzt unterzeichnen sagte er und weg war er. Und ich, tja, ich wunderte mich und las mir halt durch, was da oben stand. Na gut, offenbar muss ich da genau angeben welche Seiten ich kopiert haben will, also den Part konnte ich derweil ausfüllen, aber er kam immer noch nicht zurück zu mir. Dann hab ich sicherheitshalber noch meine Telefonnummer und meine Mailadresse draufgekritzelt, wobei mir unklar ist, wozu sie das brauchen. Nach 5 Minuten kommt er dann doch zurück, unterschreibt und drückt mir den Zettel wieder in die Hand. Nun bin ich fast am Ziel!!!
Also nur mehr quer über den Gang zum Kopiercenter gehen und bemerken: Aha, selber kopieren ist nicht, das macht jemand für Dich, dafür kostet es „nur“ 14 Cent pro Kopie. Na ganz schön happig, aber besser als den Artikel lesen und daheim draufkommen, dass ich vergessen hab, etwas zu notieren. Der Flug hierher käme auf jeden Fall teurer. Für 3 Euro dann endlich den „Schatz“ in Händen gehalten, die Qualität der Abbildungen war bedenklich, aber mehr bekam ich wohl nicht. Nun zurück zur Bücherausgabestelle, die auch die Bücherrückgabestelle war und oh nein, die nette Dame von vorher war weg. Dafür ein noch grummeliger Mann als der Archäologenbücher-Typ. Aber gut, kann ja nichts mehr sein dachte ich, denn ich gebe das Buch ja nur mehr zurück. Meint man….
Mutig hingestapft und dem Herrn das Buch übergeben mit den Worten „Ho finite, grazie“. Daraufhin schon wieder eine Elendsstory von der ich nicht mal annähernd den Inhalt erahnen konnte. Auf meine Bitte, das nochmal langsam oder auf Englisch zu wiederholen bekam ich nur eine herablassende Geste, das Buch wurde mir aus der Hand gerissen und schon hat der Herr sich umgedreht. Tja, auch das war dann scheinbar nicht so wichtig. So, Unternehmen erfolgreich abgeschlossen. Denkste, die letzte Hürde wartete noch:
Zurück zum Garderobenkästchen und zur Gardrobiere, um ihr den Schlüssel zu geben. Nein, nein, das ist falsch. Hä, wieso? Keine Ahnung; der (wie sich später herausstellte) letzte Italienisch-Schwall. Also stand ich da ganz verängstigt mit meinem Schlüssel, den keiner wollte. Was nun? Eine Studentin erbarmte sich und zeigte auf ein Formular, dort müsse ich die Rückgabe unterschreiben und den Schlüssel in ein Körbchen werfen. Was für ein idiotisches System, denn sobald jemand wieder „meinen“ Schlüssel will, nimmt die Gardrobiere den Radiergummi, radiert bei 536 meinen Namen aus und löscht auch meine Unterschrift. Wozu soll man denn dann unterschreiben? Ein weiteres Mysterium, das wohl für immer ungelöst bleiben wird – oder mit den Worten von Asterix:
Die spinnen die Römer!
Felicitas
Tut mir echt leid, was Du da erlebt hast. Aber Reisen bildet ja – und so sammelt man Erfahrungen!