Wolfgang Neubauer wurde kürzlich zum Wissenschaftler des Jahres 2015 ernannt (Presse und Fotos). Seitdem ist das Thema Archäologie wieder in den Medien. Das ist gut für uns Geisteswissenschaftler, weckt es das Interesse der Bevölkerung an Forschung und Geschichte und beeinflusst auf diese Weise die Förderlandschaft sowie dementsprechend auch die Forschung.
Prof. Neubauer arbeitet am VIAS (Vienna Institute for Archaeological Science, Universität Wien) sowie dem Ludwig Boltzmann Institut und beschäftigt sich mit zerstörungsfreier Archäologie, nämlich geophysikalischer Prospektion. Zur geophysikalischen Prospektion zählen Bodenradar, Bodenwiderstandsmessung und geomagnetische Messungen. Beim Bodenradar werden elektromagnetische Wellen in die Erde abgegeben, der Boden wird sozusagen „geröntgt“. Trifft die Welle auf einen Widerstand, beispielsweise eine Mauer, so kommt sie in einer anderen Frequenz zurück, die schließlich von einem Gerät aufgezeichnet wird. Die Bodenwiderstandsmessung berücksichtigt die elektrische Leitfähigkeit des Erdbodens und arbeitet mit Strom, der in den Boden geleitet wird. Die unterschiedliche Leitfähigkeit der unterirdischen Objekte wird wiederum von einem Gerät registriert und als Grundriss dargestellt. Die Geomagnetik basiert auf dem Magnetfeld der Erde. Kleinste Störungen, zum Beispiel verursacht durch unterirdische Mauerzüge, werden von einem Magnometer bemerkt und dokumentiert.
Diese und andere Methoden sind äußerst nützlich, wenn man eine neue Grabung ins Auge fasst. Auf diese Weise ist festzustellen, an welcher Stelle man den ersten Spatenstich setzen sollte. Anstelle wie einstens, die Erde zu durchwühlen, bis man auf etwas „Interessantes“ stößt, startet man gleich in einem Gebiet, wo zahlreiche Mauerzüge Gebäudestrukturen erwarten lassen. Moderne Prospektionsmethoden haben die Effektivität von Archäologie also deutlich gesteigert.
Ein Irrglaube ist es aber, dass Ausgrabungen heutzutage nicht mehr nötig sind, weil sie durch Prospektionsmethoden ersetzt werden können. Die oben erwähnten Methoden erfassen alle Bauphasen gleichermaßen. Erweiterungen, Um- oder Neubauten sind daher nur bedingt trennbar. Ferner ist das Alter der Strukturen unbekannt. Die Fundamente eines hundert Jahre alten Bauernhofes werden von den Geräten ebenso gemessen wie eine römische Palastvilla aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. Ein Oberflächensurvey kann helfen, eine wahrscheinliche Datierung vorzuschlagen. Dazu steckt ein speziell geschultes Team ein gewisses Gebiet ab und dokumentiert alle an der Oberfläche sichtbaren Funde. Münzen oder Keramikstücke geben Hinweise auf das mögliche Alter der unterirdischen Komplexe. Findet man 50 Objekte aus dem 2. Jahrhundert, aber 300 aus dem 3. Jahrhundert, so ist eine Datierung in das 3. Jahrhundert n. Chr. am wahrscheinlichsten. „Am wahrscheinlichsten“ bedeutet aber, dass es nicht ganz sicher ist. Freilich kann man entgegnen, in der Geisteswissenschaft ist nie etwas ganz sicher. Das mag schon sein, aber es gibt eine Methode, die zu mehr Sicherheit führt: Die Ausgrabung
Nur eine Ausgrabung kann Auskunft darüber geben, aus welcher Zeit die Befunde sind, weil datierende Beifunde aufgedeckt werden. Nur eine Ausgrabung gibt die Chance zu beweisen, wer hier gelebt hat, beispielsweise durch private Gegenstände oder Inschriften. Nur eine Ausgrabung kann Raumausstattung wie Malereien und Bodenbeläge zum Vorschein bringen, sodass man sich eine ausreichende Vorstellung vom einstigen Aussehen des Gebäudes machen kann.
Wieso verzichtet man heutzutage also darauf und führt, wenn überhaupt, nur kleinräumige Grabungen zum Beweisen einer zuvor bereits gefassten These durch? Des Geldes wegen. Prospektionen sind zwar nicht billig, aber eine Ausgrabung kostet mehr. In wochenlangen Ausgrabungen werden Befunde freigelegt, dokumentiert, interpretiert, publiziert und geschützt. Gleiches geschieht mit den Funden, die gereinigt, ev. restauriert und schließlich dauerhaft gelagert werden müssen. Aus diesem Grund sind große, Faszination verbreitende Ausgrabungen wie Troja, Pompeji oder Ephesos Geschichte – des Geldes wegen, nicht etwa weil große Entdeckungen heutzutage nicht mehr möglich wären. Bestes Beispiel ist die Römerstadt Carnuntum, die nur ca. 40 km von Wien entfernt unter der Erde schlummert. Ein Prozent der 10 km2 großen Metropole sind ausgegraben. Der Großteil liegt unberührt unter landwirtschaftlich genutzten Feldern. Ein Prozent! Aber viel mehr wird es wohl nicht mehr werden. Eine Ausgrabung liefert wertvolle Informationen und Fundobjekte, doch sie hat einen großen Nachteil, sie zerstört. Stück für Stück werden Bodenschichten abgetragen und sind somit für zukünftige Auswertungen verloren. Die geophysikalische Prospektion hingegen ist eine zerstörungsfreie Methode. Des Weiteren können durch sie weitaus größere Gebiete in weitaus kürzerer Zeit dokumentiert werden.
Fazit: Geophyikalische Prospektionen sind eine ausgezeichnete Ergänzung zur Ausgrabung. In manchem Fällen werden sie Ausgrabungen sogar ersetzen müssen, aus finanziellen oder privatrechtlichen Gründen – beispielsweise weil ein Bauer sein Feld weiter bewirtschaften will, anstelle es wochenlang für eine Ausgrabung zur Verfügung zu stellen. Sie sollten jedoch nicht zur einzig angewandten Methode werden, da auch sie nur beschränkte Befundinformationen liefern können. Jede der Methoden hat Vor- und Nachteile. Beste Ergebnisse werden durch Kombination aller verfügbaren Methoden erzielt.